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01. ARBEITSLOSIGKEIT
01.03.01 / Arbeitslosenschlange beim Stempeln im Hof des Arbeitsamtes Hannover (Wählt Hitler)
Dieses Bild mit der diagonal das Bild durchschneidenden, aufsteigenden Arbeitslosenschlange und dieser Wandinschrift wirkt wie eine gleichnishafte Zusammenschau der Zeit kurz vor der Machtergreifung. […] Die von Ballhause fotografisch gebannte Arbeitslosenschlange spiegelt die Situation der Arbeitslosen in Deutschland und in Hannover gleich mehrfach wieder. Wir sehen die Arbeitslosen nicht wie noch in den 1920er Jahren vor dem Arbeitsamt, sondern in einem Hof der ehemaligen Kasernenanlage, den man angesichts der enormen Zahl der Wartenden, die den Verkehr auf dem Königsworther Platz gefährdeten, geöffnet hatte. Dass die Arbeitslosen überhaupt solche langen Warteschlangen bildeten, lag im allgemeinen Anstieg der Zahl der Erwerbslosen im Krisenjahr 1932 begründet, die sich seit 1930 getrennt nach Arbeitern, Angestellten, Männern, Frauen und Jugendlichen täglich beim Arbeitsamt melden mussten. Erst der Stempel, den man dort erhielt, berechtigte zum Erhalt der Unterstützungsleistung […]. Zusätzlich hierzu waren alle Erwerbslosen verpflichtet, sich mindestens einmal in der Woche bei ihrer zuständigen Arbeitsvermittlungsstelle zu melden.
(Boström, Jörg: Arbeitslos – Die Wirtschaftskrise in den Fotografien Walter Ballhauses, in: Das Jahrhundert der Bilder 1900 bis 1949: Paul, Gerhard/Hrsg., Göttingen 2009, S. 404–411)
[Aufnahme: Arbeitsamt, Königsworther Platz 1, Hannover, März/April 1932]
(Boström, Jörg: Arbeitslos – Die Wirtschaftskrise in den Fotografien Walter Ballhauses, in: Das Jahrhundert der Bilder 1900 bis 1949: Paul, Gerhard/Hrsg., Göttingen 2009, S. 404–411)
[Aufnahme: Arbeitsamt, Königsworther Platz 1, Hannover, März/April 1932]
01.03.02 / Arbeitslosenschlange beim Stempeln im Hof des Arbeitsamtes Hannover
[Aufnahme: Arbeitsamt, Königsworther Platz 1, Hannover, Mai 1932]
01.04 / Arbeitslose vor dem Arbeitsamt – gestempelt zum Nichtstun
[Sechs Arbeitslose] auf einer Straßenbank, vier sehen nach rechts aus dem Bild, einer allerdings hält den Kopf in die Hände gestützt und blickt zu Boden, die zwei anderen sitzen in die entgegengesetzte Richtung. Links oben das Rad eines Fuhrwerks, das von einem Mann gezogen wird, von dem nur die Beine zu sehen sind. Straßenbahnschienen, die parallel zum oberen Bildrand laufen, Kopfsteinpflaster, ein freier Platz. Der Standpunkt ist der eines Betrachters, der von oben herab schaut, allerdings aus einer natürlichen Perspektive, dessen, der steht. Das beziehungslose Dasitzen, Starren, die Vereinzelung geben das Los der Arbeitslosen deutlich wieder. Das Bild bleibt ohne Horizont, aber die Erwartung der Männer, die aus dem Bild heraus schauen, geht auf solch einen Horizont. Vom Gehalt, von der Komposition her spricht das Bild über Veränderungen. Es geht über die Sozialdokumentation hinaus, wenn es zum faktischen die Notwendigkeit einer Perspektivensuche, einer Veränderungsmöglichkeit hinzufügt.
(Beicken, Peter, in: Solidarisches Sehen oder Weimars Ende in Hannover. Der Arbeiterphotograph Walter Ballhause, in: Die Horen, 27. Jg., Band 2 (1982), Heft 126, S. 63–70)
[Aufnahme: Arbeitsamt, Königsworther Platz 1, Hannover, Juli/August 1930]
(Beicken, Peter, in: Solidarisches Sehen oder Weimars Ende in Hannover. Der Arbeiterphotograph Walter Ballhause, in: Die Horen, 27. Jg., Band 2 (1982), Heft 126, S. 63–70)
[Aufnahme: Arbeitsamt, Königsworther Platz 1, Hannover, Juli/August 1930]
01.05 / Arbeitslose Zuschauer beim Straßenbau vor dem Arbeitsamt
Bild 18 der Auftragsreportage "Einer von Millionen. 22 Bilder aus dem Alltag des arbeitslosen Schlossers Karl Döhler in Hannover"
[Aufnahme: Königsworther Platz, im Hintergund das Arbeitsamt, Hannover, Juni/Juli 1932]
[Aufnahme: Königsworther Platz, im Hintergund das Arbeitsamt, Hannover, Juni/Juli 1932]
01.06 / Arbeitslose Zuschauer beim Reifenwechsel
[Aufnahme: Hannover, Mai 1932]
01.07 / Arbeitslose Zimmerleute treffen sich
[Aufnahme: Neues Rathaus, Trammplatz 2, Hannover, zw. März u. Juni 1933]
01.08 / Die Zeit totschlagen
[Aufnahme: Neues Rathaus, Trammplatz 2, Hannover, März 1933]
01.09 / Die Zeit verschlafen
[Aufnahme: Neues Rathaus, Trammplatz 2, Hannover, März 1933]
01.10 / Die Zeit verdösen
[Aufnahme: Hannover, Juli 1930]
01.11 / Der Nebenverdienst von Arbeitslosen (IMI-Reklame)
"Die Menschen, von der Reklame verdeckt, waren Arbeitslose. Sie versuchten auf diese Art, zu ihrer Unterstützung ein paar Groschen hinzuzuverdienen. Warum stellten sie sich zur Verfügung? Weil sie nicht erkannt wurden und dadurch keine Unterstützungsminderung zu erwarten hatten. Dem Inhaber erschien diese Sache sehr zweckdienlich, weil diese Art lebendiger Reklame ihm die Möglichkeit gab, sein Geschäft weiterzutreiben, denn es war die Zeit der Massenpleiten."
(Walter Ballhause 1987, in: Interview mit Ernst-Michael Stiegler, auszugsweise erschienen in: Niedersachsen 6/87, S. 296 ff.)
Wenn da im Kostüm Reklame geschoben wird, so ist man weit weg von den Experimenten der Bauhaus-Künstler: das Bild erklärt dem Betrachter, dass keine bessere Arbeit zu finden war. Diese Maskerade ist wie ein Hohn.
(Fries, Fritz Rudolf, in: Überflüssige Menschen. Fotografien und Gedichte aus der Zeit der großen Krise, Leipzig 1981, S. 272)
[Aufnahme: Hannover, März/April 1932]
(Walter Ballhause 1987, in: Interview mit Ernst-Michael Stiegler, auszugsweise erschienen in: Niedersachsen 6/87, S. 296 ff.)
Wenn da im Kostüm Reklame geschoben wird, so ist man weit weg von den Experimenten der Bauhaus-Künstler: das Bild erklärt dem Betrachter, dass keine bessere Arbeit zu finden war. Diese Maskerade ist wie ein Hohn.
(Fries, Fritz Rudolf, in: Überflüssige Menschen. Fotografien und Gedichte aus der Zeit der großen Krise, Leipzig 1981, S. 272)
[Aufnahme: Hannover, März/April 1932]
01.12 / Hoffnungsloser alter Angestellter
[Aufnahme: Neues Rathaus, Trammplatz 2, Hannover, März 1933]
01.13 / Daumendrehen
[Aufnahme: Neues Rathaus, Trammplatz 2, Hannover, März 1933]
01.14 / Der Missmutige
[Aufnahme: Hannover, Juli 1930]
01.15 / Schwarzer Krauser
Während das […] Negativ eine homogen-diffuse Lichtstimmung aufweist, wurde die obere Bildhälfte im Positivabzug für das Album kräftig aufgehellt mit dem Effekt, dass sich die dunkle Kleidung des Mannes deutlicher vor dem nun überstrahlten Hintergrund abhebt. Damit nimmt insgesamt der Kontrast im Bild stark zu. Indem der Bildhintergrund auf diese Weise zusätzlich an Detailzeichnung verliert, wird der Betrachterblick stärker auf die Person gelenkt. Bemerkenswert sind solche prägnanten Unterschiede in der Lichtführung im Vergleich zwischen Negativ und Fotoabzug vor allem deshalb, weil Ballhauses Fotografiestil in bislang über ihn erschienenen Textbeiträgen ausschließlich durch Parameter in der Aufnahmesituation wie etwa die Verwendung des harten und scharf in hell und dunkel kontrastierenden Lichts der tiefstehenden Sonne definiert wird. Im Blick auf das Negativ als Rohversion des Bildes kommt allerdings zutage, dass solche stilprägenden Charakteristika der Lichtführung in diesem und auch einigen anderen Fällen erst in der Dunkelkammer wesentlich verstärkt oder dort überhaupt produziert worden sind. Der Umgang und die bewusste Gestaltung mit Licht macht ein zentrales Charakteristikum von Ballhauses Fotografie aus.
Auf der Ebene inhaltlicher Kohärenz besteht eine enge Motiv-Verwandtschaft zu den untätig Wartenden der im Album bereits vorausgegangenen Seiten. Gerade die serielle Potenzierung des Themas Warten impliziert unmissverständlich, dass hier keine mußevolle Freizeitruhe zu sehen ist, sondern – ganz im Gegenteil – Ungeduld und Unzufriedenheit aufgrund akut fehlender Lebensperspektiven. Ohne die vielfache Wiederholung könnte eine solche Situation wie die des Pfeifenrauchers als isoliertes Einzelbild durchaus missverstanden werden. Doch die durch Aufeinanderfolge der Bilder entstehende thematische Verknüpfung im Album leistet diese Aufgabe und weitere Quellen sichern diese Form der Bildexegese ab. Die Konnotation mit dem Thema Armut verdeutlicht auch Walter Ballhauses Kommentar zu diesem Bild auf einer Audio-Aufnahme aus dem Jahr 1987: „Schwarzer Krauser – Der billigste Tabak für einen Arbeitslosen“ (Tonband-Aufnahme vom Interview mit Michael Stiegler, 1987)
(Naumann, Christoph, 2021)
[Aufnahme: Hannover, Juli 1930]
Auf der Ebene inhaltlicher Kohärenz besteht eine enge Motiv-Verwandtschaft zu den untätig Wartenden der im Album bereits vorausgegangenen Seiten. Gerade die serielle Potenzierung des Themas Warten impliziert unmissverständlich, dass hier keine mußevolle Freizeitruhe zu sehen ist, sondern – ganz im Gegenteil – Ungeduld und Unzufriedenheit aufgrund akut fehlender Lebensperspektiven. Ohne die vielfache Wiederholung könnte eine solche Situation wie die des Pfeifenrauchers als isoliertes Einzelbild durchaus missverstanden werden. Doch die durch Aufeinanderfolge der Bilder entstehende thematische Verknüpfung im Album leistet diese Aufgabe und weitere Quellen sichern diese Form der Bildexegese ab. Die Konnotation mit dem Thema Armut verdeutlicht auch Walter Ballhauses Kommentar zu diesem Bild auf einer Audio-Aufnahme aus dem Jahr 1987: „Schwarzer Krauser – Der billigste Tabak für einen Arbeitslosen“ (Tonband-Aufnahme vom Interview mit Michael Stiegler, 1987)
(Naumann, Christoph, 2021)
[Aufnahme: Hannover, Juli 1930]
01.16.01 / Arbeits- und obdachlos (auf dem Rummelplatz)
[Aufnahme: Hannover, Juli 1930]
01.16.02 / Arbeits- und obdachlos (auf dem Rummelplatz)
[Aufnahme: Hannover, Juli 1930]
01.16.03 / Arbeits- und obdachlos (auf dem Rummelplatz) abseits
[Aufnahme: Hannover, Juli 1930]
01.17.01 / Der lesende Zimmermann
Der lesende Arbeitslose, ein Motiv bei Ballhause, dass auch den Ablauf einer anders als beim Arbeiten erlebten Zeit andeutet, ist wie ein Selbstbildnis. Zu den „Universitäten“ des jungen Ballhause gehörte ein Buch von Erich Knauf, 1928 mit dem Titel „Empörung und Gestaltung – Künstlerprofile von Daumier bis Kollwitz“ veröffentlicht. Knauf, der Kulturredakteur der sozialdemokratischen Zeitung in Plauen war, wurde 1944 hingerichtet. Will man eine Ordnung in die Fotografien Ballhauses bringen, kann man ihnen unterlegen, was Knauf zeigte: bei Millet die Melancholie in der Anklage; bei Daumier die Physiognomie des vierten Standes, die schwelende Revolution; bei Steinlen die Anteilnahme mit den Opfern der Zivilisation; bei Käthe Kollwitz die Hoffnung der Mütter, die Sehnsucht nach einem Naturzustand des unausgebeuteten Menschen.
(Fries, Fritz Rudolf, in: Überflüssige Menschen. Fotografien und Gedichte aus der Zeit der großen Krise, Leipzig 1981, S. 271)
[Aufnahme: Neues Rathaus, Trammplatz 2, Hannover, März 1933]
(Fries, Fritz Rudolf, in: Überflüssige Menschen. Fotografien und Gedichte aus der Zeit der großen Krise, Leipzig 1981, S. 271)
[Aufnahme: Neues Rathaus, Trammplatz 2, Hannover, März 1933]
01.17.02 / Der lesende Zimmermann (Hut ab)
[Aufnahme: Neues Rathaus, Trammplatz 2, Hannover, März 1933]
01.18 / Die Fischschlange
[Aufnahme: Hannover, April/Mai 1932]
01.19 / Schlosser Karl Döhler
Bild 1 der Auftragsreportage "Einer von Millionen. 22 Bilder aus dem Alltag des arbeitslosen Schlossers Karl Döhler in Hannover"
Diese Vermeidung des direkten Blicks der Fotografierten in den Apparat lässt Parallelen zu erklärten Gestaltungsprinzipien der organisierten Arbeiterfotografie erkennen: Sie zielt ab auf die Wahrung des Eindrucks in der nicht durch die Anwesenheit des Fotografen veränderten oder gar gestellten Situation, um den Anschein von Evidenz und Authentizität nicht zu schwächen. […]
Selbst bei seiner einzigen gestellten Serie, eine Auftragsreportage für das Magazin „Der Kuckuck“ über den Alltag eines Arbeitslosen, die er mit seinem tatsächlich arbeitslosen Freund Karl Döhler inszeniert, verfolgt Ballhause konsequent das Postulat des „Blickverbots“. Zwei auf den Negativen auszumachende frontale Porträt-Aufnahmen mit Kamera-Blick verwirft er und fertigt keine Papierabzüge von ihnen an.
(Naumann, Christoph, in: Das Auge des Arbeiters. Arbeiterfotografie und Kunst um 1930, Leipzig 2014, S. 98)
Diese Vermeidung des direkten Blicks der Fotografierten in den Apparat lässt Parallelen zu erklärten Gestaltungsprinzipien der organisierten Arbeiterfotografie erkennen: Sie zielt ab auf die Wahrung des Eindrucks in der nicht durch die Anwesenheit des Fotografen veränderten oder gar gestellten Situation, um den Anschein von Evidenz und Authentizität nicht zu schwächen. […]
Selbst bei seiner einzigen gestellten Serie, eine Auftragsreportage für das Magazin „Der Kuckuck“ über den Alltag eines Arbeitslosen, die er mit seinem tatsächlich arbeitslosen Freund Karl Döhler inszeniert, verfolgt Ballhause konsequent das Postulat des „Blickverbots“. Zwei auf den Negativen auszumachende frontale Porträt-Aufnahmen mit Kamera-Blick verwirft er und fertigt keine Papierabzüge von ihnen an.
(Naumann, Christoph, in: Das Auge des Arbeiters. Arbeiterfotografie und Kunst um 1930, Leipzig 2014, S. 98)
01.20 / Frau Döhler
Bild 2 der Auftragsreportage "Einer von Millionen. 22 Bilder aus dem Alltag des arbeitslosen Schlossers Karl Döhler in Hannover"
01.21 / Sohn Herbert Döhler
Bild 3 der Auftragsreportage "Einer von Millionen. 22 Bilder aus dem Alltag des arbeitslosen Schlossers Karl Döhler in Hannover"
01.22 / Das malerische Wohnviertel
Bild 4 der Auftragsreportage "Einer von Millionen. 22 Bilder aus dem Alltag des arbeitslosen Schlossers Karl Döhler in Hannover"
[Aufnahme: Rote Reihe, Hannover]
[Aufnahme: Rote Reihe, Hannover]
01.23 / Höhenluft der Hinterhöfe
Bild 5 der Auftragsreportage "Einer von Millionen. 22 Bilder aus dem Alltag des arbeitslosen Schlossers Karl Döhler in Hannover"
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